· 

Unter meiner Haut - Aminas Geschichte

 

"Ich bin Amina Eisa und komme aus Afrin, einer kleinen Stadt in Nordsyrien. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder. Heute möchte ich über meine Geschichte erzählen.
Vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs im Jahr 2011 war mein Mann ein Angestellter in einer staatlichen Firma. Wir lebten unter ganz normalen Lebensumständen - finanziell gesehen gehörten wir zur Mittelschicht.  Gelebt habe ich mit meiner Familie in einer Dreizimmerwohnung. Das Leben war wirklich schön. Es herrschte überall Frieden und Sicherheit. Als der Krieg begann, veränderte sich die Situation und die Lage wurde immer schlimmer wegen der massiven Preissteigerungen und fehlender wichtiger Lebensmittel. Ein anderer Grund war das Auftreten von Unruhen, politische Instabilität und Unsicherheit. Ich war sehr traurig, weil meine Kinder nicht mehr in die Schule durften, weil die Gefahr und Risiko zu enorm war, und das hat mir das Herz gebrochen.  2011 begann der Krieg in Südsyrien und hat sich landesweit verbreitet und es dauerte ungefähr ein Jahr, bis er Aleppos Tore erschüttert hat. Der Krieg war zwischen dem Regime und den Oppositionskräften und die Bürger zählten als Opfer des Konfliktes und wurden von beiden Parteien nicht berücksichtigt. Die reichen Menschen konnten noch fliehen, weil sie dafür das nötige Geld oder Kontakte hatten. Aber die Mittelschicht und die armen Bürger waren von der Krise sehr stark betroffen. Es sah so aus, als wären die Menschenrechte bzw. die Würde verschwunden.
Wir litten unter überwiegendem Stromausfall, geringer Wasserversorgung und Angst vor Entführungs-Aktionen. Die Lage eskalierte heftig, als die Stadt belagert war, sodass das Besorgen von Wasser und Mehl die größte Sorge war. Beschreiben könnte man es als einen Kampf ums Überleben und dementsprechend als Höhepunkt der Krise.  Der Winter kam und wir hatten keine Möglichkeit zu heizen. Der Ramadan kam und wir hatten kein Brot, um unseren Hunger zu stillen. 
Vor dem Zuckerfest erlebten wir eine schmerzhafte Phase, als meinen Mann ein Herzinfarkt und ein Schlaganfall erschütterte. Wir brachten ihn ins Krankenhaus, indem er eine Woche blieb. Ich musste an seiner Seite bleiben, um ihn wenigstens moralisch und seelisch zu unterstützen, aber gedanklich machte ich mir Sorgen um meine Kinder, die alleine und schutzlos zu Hause waren. Die ganze Zeit betete und hoffte ich, dass meinen Kindern nichts passiert.
Mir fiel es unheimlich schwer, all diese bitteren und herzbrechenden Schläge einzustecken, aber ich musste stark bleiben und niemals die Hoffnung aufgeben, weil ich ein Verantwortungsmensch bin. Das steckt in meiner Natur. Ich kann weder meinen Mann noch meine Kinder im Stich lassen. Jedes Dilemma und jede Krise habe ich zusammen mit meiner Familie durchgehalten und das ist der Sinn der Familie.
Ein Fest ist nach dem anderen gekommen, aber die Freude hat es bedauerlicherweise nicht mitbegleitet. Die Stimmung war grausam und traurig. Finanziell waren wir am Boden. Ich konnte meinen Kindern keine Geschenke besorgen, nicht mal für mich selbst. Unsere Straße wurde bombardiert, viele Nachbarhäuser wurden zerstören und viele sind dadurch gestorben.
Mein Sohn lernte unter Kerzenlicht. Er hat die Mittelschule bestanden, dann arbeitete er in einer nahen Apotheke. Sein wöchentliches Gehalt reichte kaum für zwei Kilo Brot.

Nach zweieinhalb Jahren des Leidens sind wir nach Afrin gezogen, danach flohen wir in die Türkei. Da haben wir ungefähr fünf Monate gelebt und dann sind wir nach Deutschland ausgewandert, wo ich endlich Sicherheit gefunden habe. Wir sind alle sehr froh, dass wir das geschafft haben und glücklich, dass uns das alles gelungen ist. 

 

Nach Deutschland zu flüchten, war die beste Variante, von der ein Kriegsflüchtling träumen kann, da Sicherheit, Menschenrechte und Menschenwürde in diesem Land höchste Priorität haben. Ich bin dem Staat sehr dankbar dafür, dass ich hier willkommen bin und dass ich Unterstützung auf viele verschiedene Arten bekam. Als ich nach Deutschland kam, hatte ich vor, mich hier einzuleben. Leider war es nicht so einfach, mich einer anderen Kultur und Gesellschaft anzupassen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Unter anderem war die Sprache die größte Barriere und gleichzeitig der Hauptschlüssel zur Integration. Ein weiters Problem war es, dass ich meine Gedanken über meine Familie und Verwandten, die unter Armut, Elend und Unterdrückung leiden, nicht einfach loswerden kann. Immerhin versuche ich aufgeschlossen zu sein, aber irgendwie werde ich auf andere Art und Weise ausgegrenzt. Das finde ich bedauerlicherweise frustrierend, da ich meinen Wortschatz und soziale Kontakte nicht erweitern kann. Anderseits gibt's nette Menschen die hilfsbereit sind und mir helfen, dass deutsche System bzw. die Gesetze zu verstehen - wie meine nette Nachbarin. Ich kann es nicht verübeln, dass viele Leute Vorurteile gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund haben, aber trotzdem soll man nicht alle Menschen über einen Kamm scheren und man soll über den Tellerrand schauen, weil es in jeder Gesellschaft und Nation bestimmte Menschengruppen gibt, die ein schlechtes Bild bzw. Ansehen über die eigene Nation vermitteln. Schließlich war ich auf mich selbst angewiesen und habe meinen eigenen Weg eingeschlagen, indem ich die Integrationskurse belegte und mich in der Sprache auf ein höheres Niveaus weiterentwickelte.

 

 

Die Geschichte, die ich euch erzählt habe, spüre ich immer noch „unter meiner Haut“."

 

 

 

Kontakt

Pädagogisches Zentrum e.V.

Projekt: Perspektive WIR

Columbusstr.2  (Erdgeschoss)

27570 Bremerhaven

Telefon: 0471-30053537

perspektivewir@paedz.de