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Unter meiner Haut - Alans Migrationsgeschichte

 

 "Hallo lieber Leserinnen und Leser,

im folgenden Text erfahrt ihr meine Geschichte, unter anderem die Schwerpunkte, wie meine Flucht nach Deutschland und die Fortsetzung meiner Schule.

 

Mein Name ist Alan und neulich bin ich 24 geworden. Ich komme aus einer kleiner Provinz, welche ca. 60 km von Aleppo entfernt ist. Geboren und aufgewachsen bin ich aber in der Großstadt Aleppo. Meine Familie besteht aus 5 Personen, meinen Eltern, meinen 2 Brüdern und mir. Schwestern habe ich bedauerlicherweise nicht. Meine Kindheit bis zur meiner frühen Jugend bezeichne ich als die goldene Zeit, da in dieser Phase meine meist schönsten und lustigen Erinnerungen stecken. Von 2003 bis 2009 ging ich zur Grundschule. Danach zur Oberschule bis 2012, wo ich meinen Realschulabschluss ausgezeichnet schaffte. Aufgrund meiner ausgezeichneten Noten wurde es mir angeboten, auf die beste gymnasiale Oberstufe zu gehen. Dort habe ich nur die E-Phase abgeschlossen, dann musste ich die Schule wegen mehrerer Bombenanschläge und fehlender Sicherheit in der Umgebung abbrechen. In den Sommerferien war ich im Textilbereich beschäftigt, genauer gesagt arbeitete ich als Schneider in kleinen Läden. Diesen Nebenberuf übte ich gerne aus und somit hatte ich die Gelegenheit, mir einen guten Schulbedarf zu besorgen. Mein Vater arbeitete als Taxifahrer und später bei einer staatlichen Tabakfirma und meine Mutter war eine ganz normale Hausfrau, die sich um den Haushalt und die Kinder kümmerte. Finanziell gesehen gehörten wir zur Mittelschicht.

 

Als sich der Bürgerkrieg immer mehr und mehr Aleppo, vor allem der Innenstadt näherte, blieb uns keine andere Wahl, außer auf das Land aufzubrechen. Dort hat sich die Lage allmählich verschlechtert, bis wir irgendwann finanziell am Boden waren und die militärischen Gruppen bzw. Milizen meinen Bruder und mich bedrängt haben. Eines Tages ergriffen wir die passende Gelegenheit und flohen in die Türkei. In Istanbul haben wir ungefähr 2 Jahre gelebt und ich habe mit meinem älteren Bruder im Textilbereich gearbeitet, um uns über Wasser zu halten. Weil syrische Staatsbürger ohne Genehmigung eigentlich gar nicht in der Türkei arbeiten dürfen, sind Bezahlung und Arbeitsbedingungen sehr schlecht. Dazu kommt noch die wirtschaftliche Ausnutzung. Das Leben in der Türkei war unbeständig. Dadurch, dass wir von Freunden und alten Bekannten erfuhren, dass Syrer in Deutschland besser behandelt werden, flüchteten wir im Juli 2015 nach Deutschland. Die Flucht war nicht einfach und es war die dunkle Seite meiner Geschichte aufgrund des hohen Leidensdruckes. Von der Türkei sind wir mit dem Schlauchboot übers Mittelmeer nach Griechenland und von da mit Bussen und Zügen an die Grenzen und durch stundenlangen Fußmarsch über die Länder Mazedonien, Serbien, Ungar und Österreich letztendlich nach Deutschland.

 

Ich muss zugeben, dass es mir am Anfang schwerfiel mich in Deutschland einzuleben. Es war auch kein Wunder, weil ich auf einmal in einer völlig fremden Kultur mit einer fremden Sprache auftauchte. Hilfe und Unterstützung fehlte mir erstmal und dann war es mir klar, dass ich nur auf mich angewiesen und auf mich selbst gestellt bin. Darüber hinaus war die Sprache sowohl der Hauptschlüssel für die Tür, an die ich im Nachhinein anklopfen werde, als auch der Grundstein, den ich bewältigen sollte. Daher war mein ganzer Fokus auf die Sprache gerichtet, sogar bis heute noch. Infolgedessen habe ich meine sozialen Kontakte aufgebaut und nach und nach durch z.B. Sportvereine, Familienzentren, Nachbarschaften und beim Hobby-Betreiben erweitert. Dadurch habe ich eine Menge netter Leute kennengelernt und es hatte einen positiven Einfluss auf mein Selbstwertgefühl. Es gab ja dementsprechend ein paar Faktoren, wodurch mir die Anpassung leichter gefallen ist, z.B. hatte ich für alles ein offenes Ohr - nach dem Motto: „Mich interessiert alles“. Hinzu fand ich heraus, dass ich vorteilhaft eine Sprachbegabung habe. Ich habe mir einfach getraut, Dinge nachzufragen und Smalltalks zu führen, allerding ganz vorsichtig, respektvoll, freundlich und ich habe mich an die Grenzen gehalten. So habe ich mir vom Gegenüber Respekt und Vertrauen verdient. Nachdem mein Asyl anerkannt wurde und ich meinen Aufenthaltstitel für 3 Jahre bekam, durfte ich offiziell zum Sprachkurs. Anhand des Einstufungstestes wurde ich zu einem höheren Niveau eingeordnet, da ich in der Zwischenzeit viel zu Hause von YouTube und von einem ehrenamtlichen netten Herrn namens Jens Osieka (mein lieber Lehrer) gelernt habe. Jens war die erste Person, die mir die deutsche Sprache beibrachte und ich habe ihn ständig aus Neugier und Interesse mit vielen Fragen zugetextet. Ich gebe zu, dass ich ihn damit genervt habe, aber es war auch irgendwie lustig, weil wir uns sehr gut verstanden haben. Nachdem ich den B1 Sprachkurs am Pädagogischen Zentrum erfolgreich absolvierte, ließ ich meine schulischen Zeugnisse übersetzen bzw. anerkennen. Daraufhin wurde ich am gymnasialen Schulzentrum Carl von Ossietzky in die Vorbereitungsklasse aufgenommen. Parallel dazu ging ich in den B2-Abendsprachkurs an der Volkshochschule. Das heißt, ich war täglich von 8:00 bis 13:15 Uhr an der CVO und 4 mal in der Woche von 17:00 bis 20:00 Uhr an der Volkshochschule. Es klingt anstrengend, aber für mich war es ein Vergnügen, da mein Wille und Ehrgeiz zu stark sind und ich zielstrebig bin. Nach einem Jahr, also von August 2017 bis Juni 2018 wurde ich in die Einführungsphase (11. Klasse) versetzt. Es war mein erstes reguläres Schuljahr in Deutschland. Ich war aufgeregt, aber gleichzeitig stolz. In der Schule wurde ich genauso wie ein deutscher Schüler angesehen und es wurde mir klar, dass ich den besten Weg zum Erfolg eingeschlagen habe. Dies war eine neue besondere Etappe für mich, da es in meinem Leben mehr Stabilität und eine klare Routine gab. Die Schule habe ich bis zum Abitur durchgezogen, quasi letztes Jahr und bin auf der Suche nach einem Studienplatz als Lehrer oder Sozialarbeiter, da ich nach meinem Herzen studieren würde. Zurzeit mache ich ein freiwilliges Praktikum beim Pädagogischen Zentrum und den Führerschein. Wenn ich jetzt in Erinnerungen schwelge und mich selbst frage, in welcher Zeit ich meine schönsten Momente und Erinnerungen habe, dann würde ich zweifelsohne die Schulzeit sagen. Ich habe jedem zu danken, der mich auf dem Weg begleitete oder ihn durch Worte oder Taten erleichtert hat. Ich kann es kaum glauben, dass ich an meinen Zielen trotz vieler Barrieren so festgehalten habe. Ich gebe zu, es war sehr knallhart und anspruchsvoll, aber mein Lebensmotto lautet "Aufgeben existiert nicht bei mir“. "

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